Stichworte: Reich Gottes etc.


Jesu Rede vom „Reich Gottes“ wird schon in den Evangelien sehr
unterschiedlich interpretiert: Es wird z.B. als das unmittelbar bevorstehende
Ende der Welt verstanden, als die Befreiung von der Fremdherrschaft
der Römer oder aber als das „Himmelreich“, das man sich  – um nach dem
Tod „in den Himmel zu kommen“ – durch ein tadelfreies Leben verdienen muss.

Die Kirche schließlich sieht sich dazu ermächtigt, das „ewige Leben“, das Jesus
durch Tod und Auferstehung erworben hat, als das Reich Gottes für sich in
Anspruch zu nehmen und durch die Sakramente zu „verwalten“. Mit dem erhöhten
Christus untrennbar verbunden, führt die Kirche sogar ihre hierarchische Ordnung
auf die „göttliche Offenbarung“ zurück.

Und in der Geschichte gibt es zahlreiche Versuche, das Gottesreich mit Gewalt
auf Erden zu errichten, um der ewigen Gottesherrschaft damit den Weg zu bereiten …

Ursprünflich beschreibt die griechische Bezeichnung „basileia tou theou“ zum einen das Wirken,
das Jahwe in seiner Funktion als König ausübt (= die „Königsherrschaft Gottes“); zum anderen den Bereich, das „Gebiet“, in dem Gott sein „König-sein“ durchsetzt (das „Reich Gottes“).

Schon im Alten Testament sind beide Dimensionen miteinander verbunden, so etwa wenn gesagt wird, das Jahwe von Anfang an über die ganze Schöpfung als König herrscht, oder wenn die Erwartung geäußert wird, Gott wird am Ende der Zeit sein Heil, seinen göttlichen „Herrschaftsbereich“ als König, gegen alle Widerstände über die ganze Erde ausbreiten und auf den gesamten Kosmos ausdehnen.

Was am Anfang der Schöpfung so war und wie es am Ende der Zeiten sein wird: Jesus sieht die göttliche Wirklichkeit und Dynamik schon jetzt und in jedem Augenblick. Das Reich Gottes, das Jesus sichtbar macht und erfahrbar werden lässt, ist das zentrale Anliegen seiner Verkündigung.

Das „Reich Gottes“

Die griechische Bezeichnung „basileia tou theou“ beschreibt zum einen das Wirken, das Jahwe in seiner Funktion als König ausübt (= die „Königsherrschaft Gottes“) , zum anderen den Bereich, das „Gebiet“, in dem Gott sein „König-sein“ durchsetzt (das „Reich Gottes“). Schon im Alten Testament sind beide Dimensionen miteinander verbunden, so etwa wenn gesagt wird, das Jahwe von Anfang an über die ganze Schöpfung als König herrscht oder wenn die Erwartung geäußert wird, Gott wird am Ende der Zeit sein Heil, seinen göttlichen „Herrschaftsbereich“ als König gegen alle Widerstände über die ganze Erde ausbreiten und auf den gesamten Kosmos ausdehnen. – Was am Anfang der Schöpfung so war und wie es am Ende der Zeiten sein wird: Jesus sieht die göttliche Wirklichkeit und Wirksamkeit schon jetzt und in jedem Augenblick. Das Reich Gottes, das Jesus sichtbar macht und erfahrbar werden lässt, ist das zentrale Anliegen seiner Verkündigung.

Die „synoptische Frage“

Ein Vergleich der ersten drei Evangelien zeigt ein sehr widersprüchliches Bild. Es gibt viele erstaunliche Übereinstimmungen: So beginnt bei allen drei Evangelien die Verkündigung Jesu nach der Gefangennahme des Täufers, er wirkt vor allem in Galiläa und macht sich dann auf den Weg nach Jerusalem, um dort sein Wirken zu beenden. Das Messias-Bekenntnis des Petrus bildet in allen drei Evangelien eine wichtige Zäsur. Manche Episoden sind in allen drei Evangelien fast wörtlich gleich erzählt. Redeabschnitte Jesu sind bei Matthäus fast buchstäblich und bis zu sprachlichen Auffälligkeiten wie im Lukas-Evangelium wiedergegeben – und dies, obwohl Jesus aramäisch gesprochen hat. Daneben gibt es aber auch große Verschiedenheiten: Gemeinsame Stücke sind im Hinblick auf die zeitliche Einordnung und die Abfolge des Erzählern unterschiedlich angeordnet – so steht die Ablehnung Jesu in Nazareth bei Lukas am Anfang des Wirkens Jesu, bei Markus und Matthäus in der Mitte. Sprachliche Verschiedenheiten in gleichen Zusammenhängen reichen von einfachen Variationen bis zu Gegensätzen, die sich ausschließen.
Die Erscheinungen des Auferstandenen vollziehen sich bei Lukas in und bei Jerusalem, bei Matthäus in Galiläa. Als Wohnort der Eltern Jesu nennt Lukas Nazareth, Matthäus Bethlehem. Die Aufzählung der Vorfahren Jesu bei Matthäus stimmt nicht mit der bei Lukas überein.

Zur Erklärung der auffälligen Übereinstimmungen und gravierenden Unterschiede wurde schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts die „Zwei-Quellen-Theorie“ formuliert. Sie geht davon aus, dass Markus als das älteste Evangelium Matthäus und Lukas als Vorlage zur Verfügung stand. Dies erklärt die zahlreichen Übereinstimmungen aller drei Evangelien und lässt zugleich die redaktionellen Absichten der Evangelisten erkennen, wenn z.B. Matthäus die Vorlage aus Markus unverändert übernimmt, Lukas sie aber nur stark bearbeitet in sein Evangelium aufnimmt. Die Textteile, die Matthäus und Lukas gemeinsam haben, die bei Markus aber fehlen, werden – da sie vor allem Redeteile und Spruchbildungen enthalten – als „Logienquelle Q“ bezeichnet. Ihre geschichtliche Situation lässt sich als die beiden Jahrzehnte vor dem jüdischen Krieg (66 n. Chr.) bestimmen, ihre Theologie versucht, aus dem Glauben an die Wiederkunft des „Menschensohnes“ Wegweisung und Trost für diese krisenhafte Zeit zu gewinnen.

Die Rückfrage nach dem „historischen Jesus“

Die ersten drei Evangelien wurden ungefähr 40 Jahre nach dem Tod Jesu in die heute vorliegende Form gebracht. Die Arbeit der Evangelisten lässt sich dabei mit der Tätigkeit von Redakteuren vergleichen. Vorgefunden haben sie Traditionen von unterschiedlichem Alter und vielfältiger Herkunft. Die Evangelisten haben als „End-Redakteure“ das Überlieferungsgut gesammelt, geordnet, interpretiert, bearbeitet und in einen Zusammenhang gebracht, der das je eigene theologische Konzept wiederspiegelt. Textabschnitte werden dabei – je nach der Aussageabsicht – auch erweitert, umgeformt oder neu gebildet. Die Hoheitstitel, die Jesus zugeschrieben werden – wie etwa „der Christus“ bzw. „der Messias“, der „Sohn Gottes“, der „erhöhte Herr“ oder „der Menschensohn“ – zeigen deutlich, dass für die Traditionsstufe der Evangelien, aber auch schon für die früheren Textsammlungen, Jesus immer schon als der erhöhte Herr gesehen wird. Dieser Glaube soll bewahrt, auf die aktuelle Situation der Adressaten übertragen und verbreitet werden. Um trotz dieser vielstimmigen Ausgangslage möglichst nah an Jesus als historische Person heranzukommen, haben sich in der neutestamentlichen Exegese diese Kriterien herausgebildet:

  • Als historisch kann vermutet werden, wenn die überlieferten Fakten und Worte für die spätere Gemeinde anstößig oder bei der Mission hinderlich waren.
  • Bei den Texten, die der Verkündigung dienen, können jene Fakten als historisch vermutet werden, die als unbedingte Voraussetzung dafür gelten können, dass überhaupt erzählt werden kann.
  • Das in den Texten oder im Wort Jesu vorausgesetzte Milieu muss dem historisch fassbaren Milieu der Zeit Jesu entsprechen.
  • Als historisch kann das angesehen werden, was weder aus dem Judentum abgeleitet noch der urchristlichen Gemeinde zugeschrieben werden kann, speziell dann, wenn die frühe judenchristliche Gemeinde die Tradition abgemildert oder uminterpretiert hat.
  • Ein Hinweis auf Historizität ist es, wenn ähnliche Überlieferungen in unterschiedlichen Traditionssträngen zu finden sind.
  • Als Einzelkriterien können sprachliche Eigenheiten wie etwa das Sprechen in Gleichnissen, die Amen-Einleitung, die Abba-Anrede, die Verwendung von Paradoxien oder das Stilmittel der Seligpreisungen gelten.
  • Nicht zuletzt gilt aber die „präsentische Eschatologie“, die Jesus mit dem Schlüsselbegriff des Reich Gottes verbindet, als Kriterium für die historische Botschaft Jesu.