Spiritualität und Selbstaufgabe

Um mit der Botschaft Jesu Erfahrungen zu machen, ist es nötig, sich auf eine Weltsicht einzulassen, die eigene Sichtweisen und Gewohnheiten
relativiert. Dazu gehört die Bereitschaft, sich selbst nicht absolut zu setzen, sondern sich in der Begegnung mit Menschen, Situationen und Ideen herausfordern zu lassen.

In der traditionellen Frömmigkeit wird mitunter die Meinung vertreten, dass ein Leben nach der Botschaft Jesu nur dann möglich ist, wenn sich der einzelne „aufgibt“ und mit dem „Wir“ der Kirche verbindet. Statt den Mut einzuüben, sich immer stärker dem Reich Gottes anzuvertrauen, geht es darum, sich kirchlichen Vorgaben immer bereitwilliger zu unterwerfen.    

Wenn sich die Kirche mit Gott „verwechselt“ und sich selbst an die Stelle Gottes setzt, wird die befreienden Botschaft Jesu ins Gegenteil verkehrt und zum Mittel von Machtmissbrauch und Unterdrückung.

Das Reich Gottes ist als Lebensmöglichkeit jedem einzelnen immer schon zugesagt und verwirklicht sich nicht durch das Befolgen von Anordnungen, sondern durch befreiende Erfahrungen im eigenen Leben. 

Die Kirche dient nur dann dem Reich Gottes, wenn die Verbindung mit ihr dazu führt, dass Menschen stärker, selbst bestimmter und mutiger werden, deutlicher wahrnehmen, was für sie richtig und gut ist und zugleich die Offenheit gewinnen,
sich von der Not anderer ansprechen zu lassen.