Glaube als Leistung? – „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen …“ (Lk 13,24)

Die frühe Gemeinde ist davon ausgegangen, dass die Wiederkunft Jesu – und damit das Ende der Welt – unmittelbar bevorsteht. Die Erwartung des Weltuntergangs und die Verunsicherung, die das Ausbleiben dieses Ereignisses auslöst, haben die Botschaft Jesu beinahe bis zu ihrem Gegenteil verändert: Aus der Zusage der unbedingten Liebe Gottes wird die Erwartung seines Richterspruches; aus dem vertrauensvollen Sich-Finden-Lassen wird die Notwendigkeit, eine „Glaubensleistung“ zu erbringen, die vor Strafe und ewigem Verderben schützen soll … wenn der Glaube zur „Leistung“ wird, „Glaubensstärke“ als moralische Pflicht aufgefasst wird und Institutionen „Glaubensgehorsam“ fordern, sind dem Missbrauch des Glaubens alle Türen geöffnet.

Theologische Nostalgie – Kard. Ladarias Stellungnahme zum Synodalen Weg

Ich muss zugeben, dass es mich anfangs gerührt hat: Der Kardinal beschwört ganz undifferenziert die Einheit „mit dem ganzen Leib der Kirche“, verbindet ganz ungeschichtlich die Bischöfe unmittelbar mit den Aposteln und setzt das Evangelium, das „für immer unversehrt und lebendig bewahrt“ werden soll, ohne Einschränkung mit dem kirchlichen Lehramt und dem Primat des römischen Bischofs in eins. – Es ist, als würde ich einem in die Jahre gekommenen Spiritual zuhören, der es gut meint, der sich in seinen Überzeugungen eingerichtet hat – und der in den letzten 60 Jahren kein theologisches Buch mehr in die Hand genommen hat. – Mit der Rührung ist es dann aber schnell vorbei, wenn es um die „Bedenken“ geht, die auf dieser Grundlage gegen den Synodalen Weg vorgetragen werden. Die „nostalgische Theologie“ zeigt sich plötzlich als die andere Seite der Dialog-Verweigerung. Die vorgebrachten „Argumente“ nehmen nicht zur Kenntnis, dass es außerhalb des „römischen Gesichtskreises“ auch eine andere Welt gibt, der man mit der Wiederholung der immer gleichen Grundsätze und „unverrückbarer Traditionen“ nicht gerecht wird. Die beschworene Einheit erscheint plötzlich als gott-gewolltes Gefängnis; und das Evangelium muss offensichtlich vor jedem Kontakt mit der außerkirchlichen Realität geschützt werden, damit es lebendig bleibt …..

Benedikt XVI. und das „Fallbeil“

Als Benedikt XVI. kurz nach seiner Wahl vom „Fallbeil“ erzählte, das er im Konklave auf sich zukommen sah, konnte man das noch für Koketterie halten. Die jetzt bekannt gewordene jahrelange „Schlaflosigkeit“ zeigt Benedikt als chronisch überforderten, leidenden Menschen …

Zwei Aspekte scheinen mir dabei auffällig:

Zum einen eine radikale Tendenz zur Idealisierung: Der Gott, der ihm ein „wundervolles Zuhause“ geschenkt hat, eine Schwester, die ihm „über Jahrzehnte gedient“ hat und der ihm „im bayerischen Voralpenland“ eine Heimat geschenkt hat, die „den Glanz des Schöpfers selbst durchscheinen“ ließ, der hat auch die Kirche als Leib Christi gestiftet und sie „trotz all ihrer Mängel“ wunderbar durch Dienste, Ämter und lehramtliche Regelungen geordnet. –

Und damit ist zum anderen die Verpflichtung verbunden „aus dem Eigenen herauszutreten“ … Der alle diese Herrlichkeiten liebt und verteidigt ist nicht der Mensch Joseph Ratzinger, sondern der Priester, der Kardinal, der Glaubenswächter und Papst. In diesen Funktionen hat er die Aufgabe – wie es Ratzinger auf dem Katholikentag 1966 über die Liturgie sagt – „uns mit dem schneidenden Schwert des Wortes Gottes zu konfrontieren (…) und uns einzufügen in das Wir der Kinder Gottes und damit auch in die Erniedrigung Gottes, der in das Gewöhnliche hinabgestiegen ist“.

In das „Gewöhnliche“ ist Benedikt immer nur sehr ungeschickt hinabgestiegen – und hat dabei viel Verwirrung, Empörung und auch menschliches Leid ausgelöst. Tragisch ist die Verbindung von Gelehrtheit und Ignoranz, Frömmigkeit und eine partielle Blindheit für andere und für sich selbst, Demut und Unbelehrbarkeit „um Christi willen“ ….

„Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“ … dem Menschen Joseph Ratzinger, der viele gute und uneigennützige Seiten hat, der viel geleistet und viel gelitten hat, zolle ich Respekt.

Ich frage mich aber, wie viel von dem, was ihm und anderen das Leben schwer gemacht hat, noch in der Theologie und der Verfassung der Kirche verborgen ist – und ich sehe, wie dringlich es ist, daraus Konsequenzen zu ziehen.

„Seelenfänger“ –

unter diesem Titel ist im BR-Podcast eine Beitragsserie über die Integrierte Gemeinde in München zu hören.Es ist erschreckend, dass dort über Jahrzehnte menschenverachtende Strukturen mit kirchlicher Anerkennung geduldet und gefördert wurden. Zu fragen ist, welches “christliche“ Menschenbild und welche “Theologie“ dieses System ermöglicht hat. Und deutlich wird, dass die Gefahr geistlichen Mißbrauchs und toxischer Spiritualität immer dann besteht, wenn nicht am Menschen und seinem ganz konkreten Heil Maß genommen wird, sondern “die Gemeinde“ und theologischen Prinzipien an die Stelle Gottes treten. Das Beispiel zeigt auch auch, wie nahtlos manche “religiöse Prinzipien“ in offene Kriminalität übergehen …. zur Frage der toxischen Spiritualität siehe auch www.glaubenskrise-exegese.de „Spiritualität und Selbstaufgabe“.

Wäre pragmatischer besser gewesen?

Man hat sich unnötige Schwierigkeiten dadurch gemacht, dass man beim Synodalen Weg eine wort- und definitionslastige kirchenamtliche Theologie durch aufwändige Positionspapiere „mit den eigenen Waffen“ schlagen wollte … im „Recht haben“, „Vorschreiben“ und „zwingender Argumentation“ macht dem römischen Katholizismus niemand etwas vor …

Es wäre wohl klüger gewesen, das ganze Projekt als Pastoralkonferenz“ anzulegen und den Akzent auf das richtige Handeln zu legen – so wie ein Teilnehmer es im Hinblick auf die sexuelle Vielfalt formuliert hat: a) Auch Menschen mit nicht-binärer sexueller Identität gehören zu Gottes guter Schöpfung b) wir als Kirche haben uns dadurch schuldig gemacht, dass wir sie übersehen und diskriminiert haben c) uns als Kirche sind sie ohne Vorbehalt und Einschränkung willkommen d) wir wollen von ihnen lernen, um Verletzungen und Ausgrenzungen in Zukunft zu verhindern – dies dann noch mit dem Zusatz versehen, dass es den Bistümern und Gemeinden aufgetragen wird, Formen und Wege zu finden, die dieser Überzeugung entsprechen. – Was hätte Rom dann so öffentlichkeitswirksam verbieten können?

(die theologische Aufarbeitung ist natürlich wichtig; aber für Veränderung im Bereich der Glaubenslehre hat die Kirche immer schon in Jahrhunderten gedacht; wer nichts ändern will, ändert ohnehin nichts und kann dann noch „gewichtige theologische Bedenken“ als Ausrede verwenden …)

Kirchenaustritt

„Viele, die drinnen sind, sind eigentlich draußen; und viele, die draußen sind, sind eigentlich drinnen“ – diese Feststellung des hl. Augustinus zur Frage, wer denn wirklich „Kirche ist“, klingt in Zeiten rasant steigender Austrittszahlen befremdlich. Und die Vorstellung, dass die, die jetzt nach deutschem Recht „draußen“ sind, trotzdem oder vielleicht sogar deswegen „in der Kirche“ sein könnten, scheint abwegig. – Die Gegenfrage lautet aber: Kann man aus einer Kirche, die der Botschaft Jesu entspricht, überhaupt „austreten“? Und um welche Form von Kirche handelt es sich, wenn staatliche Verwaltungen den Austritt umsetzen? – Das deutsche System der „Kirchensteuer-Mitgliedschaft“ hat natürlich viele Vorteile. Theologisch gesehen wird aber nun die immer schon vorhandene Fragwürdigkeit sichtbar. So wichtig es für die Kirche ist, unterschiedliche Formen der Nähe und der Aktivität zu akzeptieren (was wurde da früher über „Taufscheinchristen“ gelästert), so tragisch ist es, wenn ein „Verwaltungsakt“ den Eindruck erweckt, als wäre damit die Verbindung mit der Kirche – und schlimmer noch: mit Jesus und seiner Botschaft – auf Null gesetzt.

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