Das Reich Gottes und der Krieg

Die Logienquelle Q interpretiert die Botschaft Jesu für eine konkrete geschichtliche Situation und kommt dabei zu einem eigenen theologischen Entwurf: In der Zeit vor dem jüdischen Krieg (40 bis 66 n-Christus) ist die Gesellschaft in Palästina geprägt von Verarmung und Unterdrückung. Der Bewegung, die zum Aufstand gegen die römische Besatzung aufruft, stehen die gegenüber, die sich mit den Römern – auch aus eigenem Interesse –  weiterhin arrangieren wollen

Die Q-Gruppe (als frühe Jesus-Gemeinde) befindet sich zwischen den beiden Lagern: Sie geht davon aus, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht und Jesus im bevorstehenden Weltgericht als „der Menschensohn“ über Heil oder Verdammnis entscheiden wird. In der Konzeption von Q kündet Johannes der Täufer daher nicht den irdischen Jesus an, sondern Jesus als den kommenden „Menschensohn“, der als „Feuertäufer“ das Gericht vollziehen wird …

Die aufgeheizte Krisensituation, die schließlich auf den „jüdischen Krieg“ zulaufen wird, führt also dazu, dass sich die Vorstellung entwickelt: Gott schafft – durch Jesus als den Menschensohn – ein für alle Mal Ordnung, übt Vergeltung und gewährt den Getreuen Schutz.

Mit der Reich-Gottes-Botschaft ist dabei noch am ehesten die Bedeutung des „Augenblicks“ verbunden:
Für die Träger der Q-Überlieferung ist „jetzt“ die Zeit der Entscheidung. Ihr Einsatz für den Frieden ist für die Adressaten die letzte Gelegenheit, sich zu „bekehren“, sich Gott zu überlassen, sich zum Menschensohn zu bekennen, der Gewalt abzuschwören, sich solidarisch und selbstlos zu begegnen etc. Wer die Predigt der Q-Gruppe nicht annimmt, wird vor dem Gericht des Menschensohnes nicht bestehen (vgl. z.B. die „Aussendungsrede“ Lk 10, 1-12 par).

Auf das Gottesbild Jesu bezogen sind diese Akzentverschiebungen nicht unproblematisch. Der Botschaft Jesu aber entspricht der unbedingte Friedenswille, das klare Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit, die Aufforderung zur uneingeschränkten Solidarität und das Festhalten daran, dass die Wirklichkeit Gottes, weil sie alles Irdische übersteigt, auch gegen jeden Augenschein als Zusage gültig bleibt.