Die Botschaft Jesu und die „Nächstenliebe“

Es wird als historisch angenommen, dass Jesus tatsächlich Menschen von Krankheiten geheilt hat. Und das ist die Erklärung dafür, dass frühe Sammlungen ihn beinahe auf die Rolle als Wundertäter reduzieren. Um die Missionsarbeit der frühen Jesusbewegung zu unterstützen schien das geeigneter als Berichte über fröhliche Festmähler, freundschaftliche Scherze und launige Bemerkungen.

Der Botschaft Jesus entspricht aber eine anderer Ansatz: Menschen sind nicht in erster Linie hilfsbedürftig und unvollkommen, sondern sie sind dazu bestimmt, aus der Gegenwart Gottes zu leben. Schon diese Tatsache macht den anderen für mich zum „Nächsten“, dem ich ohne Einschränkungen verpflichtet bin.Und wenn aus der Perspektive der Gottesherrschaft Krankheit, Besessenheit und Unfreiheit Menschen daran hindern, aus diesem Angebot zu leben, dann muss versucht werden, diese Situation zu ändern.

Von daher ist die Begegnung mit dem Mitmenschen immer auch der Ernstfall für das Leben aus der Gottesnähe: Sie macht mir bewusst, aus welchem Potential ich leben könnte; sie konfrontiert mich mit vielem, was einem erfüllten Leben entgegensteht; sie verpflichtet mich dem, der mir mit gleichem Recht und gleicher Würde begegnet; und sie verlangt von mir, die Berufung des anderen  – ohne den Anspruch auf eigene Überlegenheit – zu achten, auch wenn er sich gegen dieses „Lebenspotential“ entschieden hat.