Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes will zu einer Lebenshaltung führen, die sich einer „größeren Wirklichkeit“ bewusst ist, ohne die Realität dieses Lebens zu übergehen. Die befreiende Wirkung besteht aber gerade darin, dass der Alltagswirklichkeit das Recht bestritten wird, einen Menschen endgültig zu beurteilen und festzulegen: Was das Leben des Menschen im letzten bestimmt, sind nicht die Zuschreibungen und Maßstäbe der Außenwelt, sondern das Potential der jetzt schon gegenwärtigen Zukunft Gottes.
Wer sich diesem Potential öffnet, kann mit den Zwängen der Realität besser umgehen und damit auch die einengende Konzentration auf sich selbst überwinden, die mit solchen Zuschreibungen oft verbunden ist.
Im Idealfall findet man einen Standpunkt mitten im eigenen Leben und gleichzeitig diesem Leben gegenüber. Weil man z.B. die Angst um sich selbst als Teil einer Wirklichkeit sieht, die nicht die ganze Wahrheit ist, lässt sich besser mit ihr umgehen. Und weil man weiß, dass der Wert des eigenen Lebens nicht am Maß der Erlebnisqualität hängt, nicht an erreichten Zielen und nicht am perfekten Funktionieren, bietet sich die Chance, locker zu lassen und zu sich selbst zu kommen.
In der „Sängersprache“ gibt es das Bild vom „über der Stimme singen“. Gemeint ist damit, dass man nicht mit Druck und Gewalt versucht, aus den Stimmbändern das Maximale herauszuholen, sondern die Stimme klug führt und in einer Mischung aus Kraft und Entspannung bewusst zum Klingen bringt … gerade auf diese Weise kann eine Stimme frei schwingen und ausdrucksstark und lebendig sein … auch das Leben nach der Botschaft Jesu kann man sich so vorstellen.