Der Himmelsturz des SatansDie Botschaft Jesu vom Reich Gottes

Jesus hat wahrscheinlich nicht länger als eineinhalb Jahre in Galiläa gewirkt. Diese kurze Zeit hat genügt, um zahlreiche Menschen für sich zu gewinnen  – und viele, die über politischen Einfluss und religiöse Autorität verfügten, zu erbitterten Feinden zu machen. Die römische Besatzungsmacht hat dann sehr schnell die Unruhe eingedämmt und den Ruhestörer hingerichtet.

Sicher hat die politische Konstellation in Palästina zu dieser raschen Eskalation beigetragen. Aber zugleich muss Jesus mit seiner Botschaft etwas getroffen haben, das sowohl der politischen als auch der religiösen Elite seiner Zeit gefährlich werden konnte.

Die Geschichte Jesu wurde nach seinem Tod in unterschiedlicher Weise weitergetragen. Verschiedene „Überlieferungsgruppen“ haben die Botschaft und das Lebensschicksal Jesu aus der je eigenen Perspektive gedeutet. Zunächst mündlich tradiert konzentrieren sich erste Sammlungen auf Wundergeschichten, auf Streitgespräche, Gleichnisse, Unterweisungen und auf die Passion. Abhängig von den jeweiligen Standpunkten erscheint Jesus als Prophet, als Messias, als Sohn Gottes, als hellenistischer Wundertäter oder – da sich apokalyptische Strömungen verstärken – als der „Menschensohn“, der vom Himmel herab als Richter wiederkommt und das Ende dieser Welt herbeiführt.

Die Logienquelle Q gilt als erster Versuch, die Lehre Jesu und unterschiedliches Traditionsgut nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu ordnen und das Lebensschicksal Jesu in eine theologische Form zu bringen. Markus, der mit seiner Schrift die Gattung des „Evangeliums“ einführt, hat die Logienquelle wohl nicht gekannt, hat aber teilweise auf die gleichen (mündlichen) Quellen zurückgegriffen. Bei Markus wird es dann besonders deutlich, wie verschiedenartig die Traditionen sind, die ihm vorliegen. Er bindet die unterschiedlichen Vorlagen in seine Evangelienschrift ein und verfolgt dabei auch eigene theologische Interessen. Das ursprüngliche Anliegen Jesu bleibt dadurch zwar erhalten, wird aber durch die Aufnahme unterschiedlicher Quellen und durch die Redaktionsarbeit und eigenständige Komposition des Evangelisten überformt.

Die wissenschaftliche Betrachtung der synoptischen Evangelien zeigt: Die Erlösung, die Jesus bringt, geschieht nicht erst am Kreuz, sondern steht schon am Anfang seines Wirkens. Er sieht den Satan „wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lk 10,18). Für Jesus bedeutet das: In der Sphäre Gottes ist der Satan endgültig besiegt. Das Wichtigste ist bereits geschehen. Gott steht auf der Seite der Menschen und will sein Heil jetzt auch auf der Erde durchsetzen.

Durch diese Vision wird Jesus zum Botschafter der Basileia, der „Königsherrschaft Gottes“. Wie die endzeitlichen Boten bei Deutero-Jesaja sieht er seinen Auftrag darin, „das Evangelium“ zu bringen, Frieden und Heil zu wirken und „Zion“ zu verkünden: „Dein Gott ist König!“. Und gleichzeitig gilt es, jetzt die Chance zu nutzen und dem „bewaffneten starken Mann“, der jetzt besiegt ist, „alle Waffen wegzunehmen“ und die so gewonnene „Beute“ zu verteilen (vgl Lk 11,21).

Das „Reich Gottes“ ist der Schlüsselbegriff seiner Verkündigung. Unter dieser Bezeichnung verbirgt sich die Erfahrung Jesu, dass der Mensch das Ereignis der Liebe und der von Gott zugesagten Freiheit ist. Die Botschaft Jesu will dazu motivieren, im Vertrauen auf die Liebe Gottes das eigene Leben zu wagen,
sich weder von Ungerechtrigkeit und angemaßter Autorität unterdrücken zu lassen und zu einem befreiten Miteinander zu finden.

Theologisch gesehen hat die Rede Jesu von der „Königsherrschaft Gottes“ auch den Sinn, dass Gott auf diese Weise mitten ins Leben gerückt wird und gleichzeitig der Unverfügbare bleibt, der sich jeder theoretischen Festlegung und jeder missbräulichen Inanspruchnahme entzieht. Das Reich Gottes ist eben nicht „hier oder dort“, sondern ereignet sich „mitten unter uns“ (vgl. Lk 17,21). Der Botschaft von der Basileia kommt damit auch für das Sprechen von Gott eine „Platzhalter-Funktion“ zu: Die Rede ist von einem Gott, der sich „ereignet“, der eingesehen und durch seine Wirkung erkannt werden kann, der sich aber nicht als Teil dieser Wirklichkeit festlegen lässt.

Beiden Aspekte soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.

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