Zu den Grundsätzen der katholischen Dogmatik gehört es,
dass der Kirche das „Glaubensgut“ durch die Schriften der Bibel und die
„heilige Überlieferung“ von Gott anvertraut wurde. In Gottes Autorität
wird dieser Glauben von der Kirche bewahrt, verteidigt und
in der amtlichen Lehrverkündigung in Glaubenssätzen (= Dogmen)
verbindlich ausgelegt.
Um die Irrtumsfreiheit zu begründen, wird – etwa in der Erklärung
„Mysterium Ecclesiae“ (1973) – eine Analogie zur Inkarnation hergestellt:
„Die Dogmen sollen ja die Menschwerdung Gottes in abbildhafter
(analoger) Weise vergegenwärtigen. Deshalb ist
auch die dogmatische Wahrheit in einer bestimmten Gestalt endgültig
verbindlich“ (Ek 57). Zwar wird eingeräumt, dass die Dogmen
geschichtlichen Situationen, Denk- und Sprachgewohnheiten
verbunden sind, weiterentwickelt werden müssen und immer
offen sind „in ein grenzenloses Geheimnis hinein“. Aber es gilt auch,
dass man „kein einziges Dogma aus dem Ganzen herausbrechen
und leugnen kann, ohne die Struktur des Ganzen zu zerstören“
(Ek 58).
Das Postulat, dass die Kirche in zentralen Fragen nicht irren kann
– und dies in der Geschichte auch nicht getan hat – macht den Umgang
mit der Schuld, die die Kirche in der Geschichte auf sich geladen hat,
zwiespältig. Das „Schuldbekenntnisse“ das Johannes Paul II. im Jahr 2000
abgelegt hat, räumt Unrecht und Versagen „einiger Mitglieder der Kirche“ ein,
schließt die Kirche als solche aber aus und verschließt die Augen davor,
dass diese Verbrechen durch die jeweils aktuelle „Theologie“ erst
möglich wurden.
Auch die Texte des II. Vatikanums sind viel zu oft dadurch
gekennzeichnet, dass sie ein Öffnung für das moderne
Denken signalisieren – und in vielen Bereichen tatsächlich
Meilensteine einer modernen Theologie gesetzt haben – ,
aber in letzter Konsequenz in einer Haltung gefangen bleiben,
die sich mit dem Hinweis auf „überzeitliche Wahrheiten“ jeder
Diskussion entziehen.
1.4. Die „historisch-kritische Methode“
Die Zweideutigkeit zwischen der Annäherung an wissenschaftliche
Erkenntnisse und der Abwehr von allem, was der lehramtlichen
Tradition widerspricht, zeigt sich besonders deutlich in der
Stellungnahme zur historisch-kritischen Exegese. War gegen Ende
des 19. Jahrhunderts schon jeder historische Blick auf die
biblischen Texte fast schon als Ketzerei verdächtig, so bekennt sich
das II. Vatikanum „ohne Bedenken“ zur „Geschichtlichkeit“ der
Evangelien (DV 19), räumt verschiedene Traditionsstufen ein und
benennt die Reaktionsarbeit der Evangelisten (DV 19). Gleichzeitig
wird aber postuliert, dass alles, was die Evangelien von Jesus
berichten, im historischen Sinn „wahr und zutreffend“ ist und alles
in den Evangelien so verstanden werden muss, dass es keinen
Widerspruch zur „Überlieferung der Gesamtkirche“ und zur
„Analogie des Glaubens“ gibt. Letztlich gilt „das Urteil der Kirche,
deren gottgegebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes
zu bewahren und auszulegen“ (DV 12). – Die Botschaft des
historischen Jesus von der bedingungslosen Zuwendung Gottes
und dem unbedingt Vorrang der Würde und Freiheit jedes Menschen
wird so mit frommen Worten neutralisiert und den Interessen der
Kirche untergeordnet.
Menschen wird so mit frommen Worten neutralisiert und der
real existierenden Kirche untergeordnet.